STORY

Kulturell auf die Krise antworten –

Interview zur Entstehung der Komposition (Auszüge)

 

Was bedeutet Integration für Sie?

Integration heißt für mich zunächst und zumeist: Sich füreinander zu interessieren. Das ist eine riesige Herausforderung. Dafür braucht es immer beide Seiten.
[…]

Wie ist die Idee zur Messe entstanden?

Die Bilder, die uns im Zuge der sogenannten „Flüchtlingskrise“ erreichten, haben mich aufgeweckt: […]
Was da passiert, ist tatsächlich etwas, was die Flüchtenden wie auch uns ganz existenziell betrifft und noch lange betreffen wird: Um aus dieser Krise eine Chance werden zu lassen, brauchen wir unglaublich viel Mut.
Vor allem aber, so denke ich, sollten wir uns immer wieder bewusst machen, dass wir letztlich – hier wie dort – auf Frieden angewiesen sind: Auf den Frieden zwischen den Völkern, aber auch auf den Frieden und Zusammenhalt in unserer eigenen Gesellschaft, in unserem eigenen Umfeld.
Nur so können wir, was jetzt als „Krise“ erlebt wird, gestalten. Dazu gehört für mich auch, dass wir kulturell auf die Krise antworten. Eine solche Antwort kann z.B. auch im gemeinsamen Musizieren liegen. So ist die MASS FOR PEACE in times of flight entstanden, die das, was abendländische Kultur, Musik und Religion ausmacht, mit dem verbinden möchte, was heute von außen auf uns zukommt.

Was heißt das konkret?

Da ist einerseits die MASS FOR PEACE in times of flight als solche, klangsprachlich in der Nähe der Romantik (Schubert, Mendelssohn usw.) angesiedelt und für 4-stimmigen gemischten Chor, 4 Solisten und Orchester gesetzt und andererseits die wunderbaren Texte von Navid Kermani, die zwischen die einzelnen Messesätze eingeschoben und rezitiert werden sollen.
Kermani, falls das jemand noch nicht weiß, ist Autor und Journalist, habilitierter Orientalist. Er schreibt Romane, Sachbücher, aber auch Berichte für so renommierte Nachrichtenorgane wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung oder Der Spiegel.
Er ist Träger des renommierten Friedenspreises des Deutschen Buchhandels und hat, z.B.im Deutschen Bundestag, so beeindruckend und eindringlich gesprochen, dass seine Lesungen mittlerweile geradezu überrannt werden. Soeben wurde er auch zum Träger des Dönhoff-Preises ernannt. Ganz zu recht, wie ich finde.

Wie kam es zur Kooperation mit Navid Kermani?

Frankfurter Buchmesse 2015

Durch Zufall! Und zwar bekam ich sein Buch Ungläubiges Staunen  geschenkt, das mich tief beeindruckt hat. Kermani betrachtet hier die abendländischen Kunstwerke des Christentums (insbesondere bildliche Darstellungen von Heiligen) mit den liebevollen Augen eines Bruders, eines Freundes, der selbst muslimischen Bekenntnisses ist. Das hat es so noch nicht gegeben.
Und genau dieses Interesse am anderen, an der Kunst und Religion des anderen ist Teil dessen, was wir brauchen. So habe ich bei ihm angefragt und er war sofort bereit, für das Projekt Texte zur Verfügung zu stellen. Für die Messe sind nun Texte vorgesehen, die Szenen der Flucht und der Rettung beschreiben.
Aber: Kermani ist ein ernstzunehmender Beobachter, der auch ganz offen und kritisch hinsieht, auf uns wie auch auf die zu uns Flüchtenden. Er schmeichelt niemandem. Hoffnung und Leid, in der Messe textlich bzw. musikalisch überzeitlich ausgesprochen, finden in den Texten Kermanis ihren ganz konkreten Widerhall im Hier und Jetzt.

Das Interview führte chor-heute.de.